Das Care Team Kanton Bern (CTKB) ist für die notfallpsychologische und notfallseelsorgerliche Betreuung von Betroffenen in den ersten Stunden nach einem belastenden Ereignis im Kanton Bern zuständig. Es zählt gegen 180 Mitglieder und steht 365 Tage im Jahr rund um die Uhr im ganzen Kanton Bern und im Kanton Jura im Einsatz. Am 15. Mai 2023 übte das CTKB zusammen mit rund 20 verschiedenen Organisationen mit 600 Mitwirkenden anlässlich der Übung INSIEME den Ernstfall. Der stellvertretende Leiter des CTKB, Pierre-André Kuchen, war in der Übungsleitung vertreten und berichtet von dieser grossen Übung.
Insieme: Grossereignisse als neue Herausforderung für das Care Team des Kantons Bern
Was lange währt…
Alles begann mit einem Tunnel und einem Autobahnabschnitt in der Nähe von Thun, die renoviert werden mussten. Nach der Renovierung des Tunnels, Monate zuvor, dachte das EFU-Kursteam, dass es toll wäre, eine Übung im Gelände mit mehreren Schadensplätzen zu organisieren. Vor der Wiedereröffnung des Tunnels wollte die Übungsleitung mehrere Übungen im Tunnel durchführen.
Dann kam COVID: Annullierung im Jahr 2020, mehrere Verschiebungen folgten, schliesslich wurde der Verkehr auf dieser Autobahn wieder aufgenommen.
Das Team liess sich dadurch aber nicht stoppen und nahm die Vorbereitungen für den Mai 2023 wieder auf.
In der Nacht vom 3. Mai 2023 fand die Übung unter idealen Bedingungen statt, mit einem Szenario, das die Einsatzkräfte zwang, den Tunnel zwischen 19 Uhr und 3 Uhr morgens zu sperren.
Premiere im Kanton Bern

Als Auftraggeber der Übung «INSIEME» gab uns das ASTRA die Chance, einen solch komplexen Ernstfall in der Region Thun zu üben.
Mehr als 600 Personen waren beteiligt und trugen zum Erfolg dieser Übung bei, die ein Grossereignis simulierte. 120 Statisten wurden auf alle beteiligten Fahrzeuge verteilt, von denen etwa 40 aus dem Care Team stammten. Das Care Team war also mit fast 80 Mitgliedern im Einsatz.
Am frühen Abend erzeugte der fiktive Flugzeugabsturz drei Schadensplätze, die von einem rückwärtigen KP mit Bereichsleiterinnen und Bereichsleitern (KAPO, Rettungsdienste, Feuerwehr, Care Team und Zivilschutz) auf höherer Ebene koordiniert werden mussten. Vor Ort spielte sich das Geschehen auf der Autobahn selbst mit einer Massenkarambolage, auf einem benachbarten Fussballplatz mit einer Sportveranstaltung und auf einer Brücke über der Autobahn ab.
Bisher war ein solches Szenario im Kanton Bern noch nie in voller Grösse mit Statisten geübt worden. Diese Premiere stellte jede Organisation vor neue Herausforderungen, um das Ereignis mit diesen drei Katastrophenplätzen zu meistern.
Herausforderungen für das Care Team
Für das CTKB waren die Herausforderungen in mehreren Bereichen gross:
- Erster Bereich: Über ein qualitativ hochwertiges Care-Personal-Management verfügen. Dieser Einsatz bedeutete, dass vor Ort drei Einsatzleiterinnen und Einsatzleiter, eine Bereichsleiterin Care, eine Leiterin Betreuungszentrum und sechs Führungsgehilfen eingesetzt werden mussten. Hinzu kamen 25 Mitglieder des Care Teams, die für die Betreuung der Betroffenen sowohl auf den Schadensplätzen als auch im Betreuungszentrum eingesetzt wurden. Alle diese Mitarbeitenden mussten entsprechend geschult werden, um die dem Care Team übertragenen Aufgaben unter den besten Bedingungen erfüllen zu können.
- Zweiter Bereich: Für einen angemessenen Einsatz auf den Katastrophenplätzen sorgen. Bei dieser Art von Einsatz ist die Koordination mit den anderen Einsatzkräften von entscheidender Bedeutung. Er ermöglicht es, Prioritäten zu setzen und Entscheidungen zu treffen, die das Management des Ereignisses erleichtern. Die Koordination der Mitglieder des Care Teams hatte ebenfalls Priorität: Unser Personal für die ersten zwei Stunden adäquat einzusetzen, war auch für die Einsatzleiterinnen und Einsatzleiter eine komplexe Aufgabe.
- Dritter Bereich: Einrichtung eines BZ. Ein Betreuungszentrum (BZ) soll so schnell wie möglich in Betrieb genommen werden, mit einer angemessenen Struktur und ausreichend CTKB-Mitgliedern, um eine qualitativ hochwertige Betreuung zu gewährleisten. Konkret bedeutet dies, z. B. in einem Schulgebäude Räume für die Betroffenen, d. h. einen Gemeinschafts- und Empfangsbereich und einen Care-KP, einzurichten, damit sie informiert und betreut werden können.
- Vierter Bereich: Sicherstellung der Zusammenarbeit mit der Kantonspolizei und insbesondere mit dem Personal des Dezernats «Leib und Leben» der Kantonspolizei. Wenn das Care Team für die Begleitung verantwortlich ist, muss die Kantonspolizei alle anwesenden Personen registrieren. In dieser Zusammenarbeit zwischen zwei Einheiten werden der Rahmen, die Informationen, die Sicherheit und die Verwaltung eines Betreuungszentrums festgelegt, damit dieses den von einem solchen Ereignis betroffenen Personen den notwendigen Unterstützungsrahmen bieten kann.
Schlussfolgerung
Grundsätzlich soll das Care Team unseres Kantons in die Lage versetzt werden, bei Grossereignissen voll einsatzfähig zu sein, falls diese eintreten sollten. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, dass solche Ereignisse geübt werden. Wir konnten feststellen, dass die grundlegenden Konzepte funktionieren.
Optimierungspunkte können in der Weiterbildung der Care-Einsatzleiterinnen und -Einsatzleiter, bei internen Übungen und im bilateralen Austausch mit Partnern aufgegriffen werden. Dies wird es uns ermöglichen, das Gesamtmanagement und die Betreuung der Betroffenen bei Grossereignissen weiterzuentwickeln.
Das Konzept des Betreuungszentrums (BZ) wird auf der Grundlage der gemachten Erfahrungen ständig optimiert. Dadurch soll das Care Team in die Lage versetzt werden, seine Unterstützungsaufgabe unter den verschiedensten Gegebenheiten zu erfüllen.
Pierre-André Kuchen, Stab, stv. Leiter CTKB
Ausgewählte Kennzahlen
Einsätze pro Jahr

Der Bedarf an Leistungen des CTKB steigt. Seit 2021 leistet es auch Einsätze im Kanton Jura, gemäss entsprechender Vereinbarung mit den jurassischen Behörden. Doch auch abgesehen davon zeigt sich ein Aufwärtstrend bei den Einsätzen.
Einsätze nach Anamnese

Über 40 % seiner Einsätze leistete das CTKB aufgrund allgemeiner oder medizinischer Notfälle oder nach einer Reanimation. Bei 22 % der Einsätze intervenierte das CTKB nach einem Suizid oder Suizidversuch. In 19 % der Fälle wurde des CTKB aufgrund von Unfällen (Verkehrs-, Freizeit- und Arbeitsunfällen) aufgeboten.
Einsätze nach Region

Der Grossteil der Einsätze erfolgte in den Regionen, zu denen die grösseren Städte Bern, Thun und Biel gehören. Seit 2021 leistet das Care Team auch Einsätze im Kanton Jura gemäss einer entsprechenden Vereinbarung mit den jurassischen Behörden. Ein Einsatz betraf weder den Kanton Bern noch den Kanton Jura (ausserkantonal).
Nicht immer ist es nötig oder möglich, vor Ort einen Einsatz zu leisten. In rund 4 % aller Fälle wurden Gespräche per Telefon (auf Distanz) geführt.
Alarmierungszeitpunkt

Rund ein Drittel der Einsätze des CTKB fanden 2023 in den Abend- und Nachtstunden statt.